Mal ehrlich: Wie oft hast du dich gefragt, warum du in Beziehungen immer wieder ähnliche Konflikte erlebst?
Du willst Nähe, aber fühlst dich schnell erdrückt. Du willst Freiraum, aber fühlst dich dann plötzlich allein gelassen. Oder: Du gerätst immer wieder an den falsche Person. Oder an dieselbe emotionale Leere.
Was wäre, wenn ich dir sage: Der Stress in der Partnerschaft ist die Wiederholung deiner bisherigen Bindungserfahrungen.
Warum? – Ganz einfach, die Bindungserfahrungen aus den ersten 7 Jahren bilden dein Weltbild und damit „Arbeitsmodell“ von Beziehung.
Es ist dein unbewusstes Betriebssystem, wenn es kein Update bekommt. Lust auf ein Update?
__________
Die allerersten Bindungser-fahrungen – schon im Mutterleib
Unsere Beziehungsfähigkeit beginnt nicht erst nach der Geburt. Sie beginnt schon im Mutterleib.
Bereits als Ungeborenes reagierst du auf den emotionalen Zustand deiner Mutter. Ist sie überfordert, gestresst oder fühlt sich allein, dann wirkt sich das direkt auf dein Nervensystem aus.
Studien zeigen: Bei anhaltendem Stress der Mutter verringern sich die Herzschläge des Kindes. Es zieht sich zurück. Das ungeborene Leben passt sich an, um mit der Situation im Außen klarzukommen.
In dieser Phase entstehen die allerersten Bindungserfahrungen, noch bevor wir überhaupt auf als „Ich“ auf die Welt kommen.
Die ersten zwei Lebensjahre sind geprägt von einem „Wir-Netzwerk“.
Das heißt: Es gibt noch kein klares Ich-Du-Gefühl, sondern ein gemeinsames, emotionales Feld mit der Bezugsperson.
Alles, was die Mutter fühlt, erlebt das Kind mit, egal ob körperlich oder emotional. Erst mit etwa 2 Jahren beginnt ein Kind zwischen „Ich“ und „Du“ zu unterscheiden.
__________
Der Klassiker: Kindheit prägt Beziehung – Warum die ersten 7 Jahre entscheidend sind
Die Bindungstheorie, entwickelt von John Bowlby, geht davon aus, dass wir Menschen ein Grundbedürfnis nach emotionaler Nähe und Sicherheit haben.
In den ersten sieben Lebensjahren entsteht daraus unser inneres Bindungsmuster.
Das heißt: In dieser Zeit lernt dein Nervensystem, wie sich Liebe, Sicherheit, Geborgenheit, aber auch Trennung, Nähe oder Autonomie anfühlen.
Deine primären Bezugspersonen, in den meisten Fällen Mutter oder Vater, prägen dabei dein inneres Bild von Beziehung. Punkt!
Hier könnte der Blog bereits stoppen mit der Aufgabe, deine Beziehungen mit der Beziehung deiner Eltern und zu deinen Eltern zu vergleichen. Warum?
Was damals wiederholt erlebt wurde, wird vom Nervensystem als „sicher“ abgespeichert. Nicht, weil es unbedingt gut oder gesund war, sondern weil es vertraut ist.
Für unser inneres System ist vertraut gleich sicher. Wichtiger Fakt.
Wenn du also gelernt hast, dass Liebe bedeutet, sich anzupassen, sich klein zu machen oder für Zuwendung leisten zu müssen, dann wird genau das später deine Vorstellung von Beziehung sein, selbst wenn du darunter leidest.
__________
Wiederholungsmuster in der Liebe: Warum du immer ähnliche Partner wählst
Lasst das Drama wieder beginnen!… So könnte es im Theater oder manchmal auch in Beziehungen heißen.
Dieses innere Bild von Beziehung ist wie ein Betriebssystem.
Und wenn wir es nicht bewusst hinterfragen oder verändern, bleibt es bestehen, ein Leben lang. Das bedeutet: Du suchst dir unbewusst immer wieder Partner, die dein altes Bindungserleben aktivieren.
Man sagt oft: Männer heiraten ihre Mutter oder das Gegenteil davon. Frauen ihren Vater – oder das Gegenteil.
Das hat einen einfachen Hintergrund: Unser inneres System sucht nicht das Beste, sondern das Vertraute. Hier müssen wir uns auch nichts vor machen.
Wenn du also in deiner Kindheit erfahren hast, dass Liebe distanziert, unberechenbar oder kontrollierend war, dann wirst du genau diese Dynamiken in deinen Beziehungen wiederfinden.
__________
Die 4 Bindungstypen: Wie du Nähe und Distanz heute erlebst
Die Forschung unterscheidet vier grundlegende Bindungstypen:
1) Sicherer Bindungstyp: Du fühlst dich wohl mit Nähe, kannst dich öffnen und vertraust. Konflikte verunsichern dich nicht dauerhaft. Du gehst in Beziehung, ohne dich selbst zu verlieren.
2) Unsicher-vermeidender Bindungstyp: Nähe fühlt sich unangenehm oder einengend an. Du ziehst dich zurück, regelst vieles lieber mit dir selbst. Du brauchst viel Autonomie, bist emotional oft distanziert.
3) Unsicher-ambivalenter Bindungstyp: Du suchst Nähe, hast aber gleichzeitig Angst, verlassen zu werden. Du brauchst viel Bestätigung, fühlst dich schnell überfordert und entwickelst oft starke Verlustangst.
4) Desorganisierter Bindungstyp: Nähe und Distanz werden gleichzeitig als bedrohlich erlebt. Oft liegt hier eine tiefe emotionale Verunsicherung vor, manchmal traumatische Erfahrungen. Beziehungen sind stark von inneren Konflikten und Ambivalenzen geprägt.
Diese Bindungstypen wirken unbewusst in unser Beziehungsverhalten hinein. Das Gute ist: Sie sind nicht festgeschrieben.
Du kannst dein Bindungsverhalten verändern, wenn du bereit bist, hinzuschauen und Verantwortung für deine Prägungen zu übernehmen.
__________
Beziehungs-muster erkennen: So findest du deine inneren Drehbücher
Ein einfacher Selbsttest: Schau dir deine letzten Beziehungen an. Welche Themen, Konflikte, Gefühle und Dynamiken wiederholen sich?
- 1) Fühlst du dich oft allein, obwohl du in Beziehung bist?
- 2) Brauchst du viel Nähe und emotionale Bestätigung?
- 3) Fühlst du dich schnell eingeengt oder abhängig?
- 4) Hast du das Gefühl, dich ständig anpassen zu müssen?
Dann geh noch einen Schritt weiter: Welche Beziehung haben oder hatten deine Eltern zueinander? Und wie war deine Beziehung zu ihnen?
Du wirst feststellen, dass viele deiner heutigen Beziehungsmuster nicht von deinem aktuellen Partner stammen – sondern von dir selbst.
Sie sind ein Spiegel deiner inneren Beziehungs-erfahrungen.
__________
Warum Partnerschaft mit Selbst-erkenntnis beginnt
Beziehungen triggern unsere tiefsten Bedürfnisse und Verletzungen. Mein Motto: Beziehungen sind Spiegel- und Heilungspotenzial zu gleich.
Das ist manchmal anstrengend, aber auch eine riesige Chance: Wenn du deine Muster erkennst, kannst du sie verändern. Dafür brauchst du Achtsamkeit, Klarheit und die Bereitschaft, alte Prägungen loszulassen.
Eine gesunde Beziehung lebt davon, dass beide Partner bewusst mit ihren Bedürfnissen, Grenzen und Emotionen umgehen. Und das beginnt bei dir selbst. #Selbstführung
__________
Nähe & Freiheit:
Wie du die Balance zwischen Bindung und Autonomie findest
Ein zentrales Thema in jeder Beziehung ist die Balance zwischen Bindung und Autonomie. Wir wollen Nähe – aber auch Freiheit. Wir sehnen uns nach Verbindung und auch nach Eigenständigkeit.
Wenn dieses flexible Gleichgewicht in der Kindheit gestört wurde, dann entwickeln wir einen angepassten fixierten Stil. Wir glauben zum Beispiel:
- – Ich muss mich zurückziehen, um nicht verletzt zu werden.
- – Ich muss mich anpassen, um geliebt zu werden.
- – Ich darf keine eigenen Bedürfnisse haben.
Doch diese Muster sind nicht die Wahrheit. Sie sind Prägungen. Prägungen können wir verändern.
__________
Körperübung für mehr Klarheit:
Mini-Aufstellung
Um dein eigenes Beziehungserleben besser zu verstehen, kannst du eine einfache Körperübung machen. Du brauchst zwei Kissen und ein bisschen Raum für dich.
-
- 1) Lege zwei Kissen auf den Boden. Gib einem die Bedeutung für Bindung, das andere für Autonomie.
-
- 2) Stell dich nacheinander auf jedes Kissen. Spür hinein: Wie fühlt sich „Bindung“ an? Was spürst Du in dein Körper?
-
- 3) Danach das gleiche mit dem Kissen für „Autonomie“. Wie geht es dir, wenn du auf diesem Kissen stehst?
-
- 4) Stell dich dann zwischen die Kissen. Finde intuitiv den Abstand, der sich für dich stimmig anfühlt.
- 5) Löse die Bedeutung von den Kissen (safty first :P)
Diese Mini-Aufstellung kann dir helfen, dein inneres Erleben sichtbar zu machen und erste Impulse zu bekommen, wo deine persönlichen Themen liegen.
__________
Fazit: Werde der Erwachsene, der du als Kind gebraucht hättest
Solange wir unsere Prägungen nicht bewusst machen, wirken sie aus dem Unterbewusstsein. Wir reagieren aus alten Mustern heraus. Erst wenn wir erkennen, woher diese Muster kommen, können wir uns bewusst für etwas Neues entscheiden.
Erwachsen sein heißt, nicht mehr automatisch zu wiederholen, was du gelernt hast. Sondern zu wählen, was dir heute wirklich guttut.
Das braucht Mut, Klarheit und manchmal auch Unterstützung. Aber es ist möglich. Und es lohnt sich. Denn nur wenn du innerlich frei bist, kannst du auch in Beziehung wirklich frei und verbunden leben.
Selbstführung bedeutet: Dir selbst zur Seite stehen
Selbstführung heißt, die Verantwortung für deine Innenwelt zu übernehmen. Es bedeutet, dich ehrlich zu reflektieren, deine inneren Muster zu erkennen und dir selbst mit Mitgefühl zu begegnen.
Gerade in Beziehung, wo du getriggert wirst, wo Emotionen hochkommen, zeigt sich, wie gut du bei dir bleiben kannst.
Erkenntnis entsteht nicht durch Analyse allein, sondern durch Fühlen, Spüren, Erleben. Und genau hier beginnt Veränderung: In der bewussten Entscheidung, für dich selbst da zu sein. Immer wieder.
In einer Beziehung sind wir nie nur zu zweit
Oft denken wir, eine Beziehung bestehe nur aus zwei Menschen.
Doch in Wahrheit sind wir mindestens zu viert: Du, dein Partner und eure inneren Kindanteile, die mit ihren alten Wünschen und Schutzstrategien mit am Tisch sitzen.
Und wenn wir ganz ehrlich sind, sind wir sogar zu acht. Denn auch eure Eltern, bewusst oder unbewusst, wirken mit ihren Prägungen, Erwartungen und Beziehungsmustern in eure Partnerschaft hinein.
Eine Beziehung ist also immer auch ein Begegnungsraum zwischen inneren Anteilen und familiären Geschichten.
Wer das erkennt, kann aufhören, den anderen zu bekämpfen – und beginnt, sich selbst besser zu verstehen.