„Wenn ich meine Unsicherheit und Schwäche zeige, dann verliere ich …“
Diesen Glaubenssatz kenne viele meiner Klienten, als auch ich in meiner Vergangenheit, nur zu gut. Doch moderne Psychologie und die Erfahrungen aus dem Mentaltraining zeigen: Wer Unsicherheit anerkennt statt sie zu vermeiden oder zu kaschieren, wirkt glaubwürdiger, baut echte Stärke auf und performt deutlich besser – im Durchschnitt um 20%, doch dazu später mehr.
Unsicherheit: Das stille Gefühl, das wir alle kennen – und lieber verstecken
Wer kennt es nicht? Das flaue Gefühl in der Magengegend, wenn wir nicht wissen, ob wir oder unsere Fähigkeiten gerade genug sind. Ob im Wettkampf, bei einem entscheidenden Meeting, im Bewerbungsgespräch oder in der Partnerschaft.
Unsicherheit begleitet uns alle – oft leise, oft überdeckt von einer Fassade der Souveränität. Viele von uns, mich eingeschlossen, haben früh gelernt, dieses Gefühl zu kaschieren: durch Selbstbewusstsein, Humor, fachliche Stärke oder durch das bloße „sich nichts anmerken lassen“.
Denn Unsicherheit, so scheint es, ist in unserer Leistungsgesellschaft ein Zeichen von Schwäche. Doch was, wenn genau das Gegenteil wahr wäre?
Was ist Unsicherheit überhaupt?
Psychologisch beschreibt Unsicherheit einen inneren Zustand erhöhter Wachsamkeit, wenn Informationen fehlen oder Risiken unklar sind. Sie aktiviert das limbische System (insb. Amygdala) und steigert unser Cortisolspiegel. Kurz gesagt: Ein evolutiver Schutzmechanismus, der uns zu vorsichtigen Entscheidungen anregt.
Kernfaktoren von Unsicherheit
Faktor | Kurzerklärung |
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Ambiguität | Mehrdeutige Situation ohne klare „richtige“ Antwort |
Neuheit | Unbekannte Sachverhalte lösen Orientierungsbedarf aus |
Bedeutung | Je wichtiger das Ergebnis, desto stärker das Unsicherheitsgefühl |
Die Wurzel: Woher kommt das Gefühl von Unsicherheit?
Evolutionär gesehen: Unsicherheit beginnt früh
Schon Babys ab dem 6. Lebensmonat entwickeln das Gefühl von Unsicherheit etwa in Form von „Fremdeln“. Dieses Verhalten ist biologisch sinnvoll: Es schützt das Kind vor potenziellen Gefahren, wenn die Bezugsperson nicht in der Nähe ist. Unsicherheit ist also kein „Fehler“, sondern ein Warnsystem, das uns über Jahrtausende das Überleben gesichert hat. Und es geht weiter…
Schlüsselereignis | Was passiert psychologisch? |
---|---|
Fremdeln (≈ 6–8 Monate) | Das Baby erkennt vertraute vs. fremde Personen. Unsicherheit schützt es, indem es Nähe zur Bezugsperson sucht (Anfang der Bindung). |
Trotz-/Autonomiephase (2–3 Jahre) | Das Kind testet „Ich kann selbst!“ versus „Ich brauche Hilfe“. Gelungene Versuche bauen Selbstvertrauen auf; zu viel Scham hemmt Experimentierfreude. |
Vergleich mit anderen (Grundschulalter) | In Schule & Sport merkt das Kind, dass Leistung bewertet wird. Es entwickelt Stolz – oder Minderwert, wenn Vergleiche dauerhaft negativ ausfallen. |
Identitätssuche (Pubertät) | Körper, Werte und soziale Rolle ändern sich gleichzeitig. Jugendliche probieren Stile & Meinungen aus, um herauszufinden, wer sie sein wollen. Hohe Unsicherheit = normal. |
Intimität & Karriere (Erwachsenenalter) | Man fragt: „Kann ich enge Beziehungen führen?“ und „Kann ich beruflich etwas bewirken?“ Positive Erfahrungen stärken Selbstwirksamkeit; ständige Zweifel bremsen Entwicklung. |
Die Übersicht zeigt, dass Unsicherheit in jeder Stufe eine sinnvolle Schutz- oder Lernfunktion hat. Vom Baby bis zur Führungskraft.
In der Pubertät: Unsicherheit wird zum Dauerbegleiter
In der Pubertät wird das Thema Unsicherheit besonders dominant. Die Suche nach Identität, das Bedürfnis dazuzugehören, der eigene Körper, der sich verändert – all das löst tiefgreifende Verunsicherungen aus. Viele Jugendliche lernen in dieser Zeit, Unsicherheit zu kompensieren, anstatt sie zu verstehen. Ein Mechanismus, der uns oft bis ins Erwachsenenalter begleitet.
Die Fassade der Souveränität: Warum wir Unsicherheit verstecken
Souverän zu wirken ist in vielen Lebensbereichen hilfreich. keine Frage. Im Job, bei Verhandlungen, auf Social Media. Doch oft ist diese Souveränität nur eine gut trainierte Schutzreaktion. Dahinter liegt oft das alte Gefühl: „Wenn ich zeige, dass ich unsicher bin, verliere ich an Ansehen.“
Der Preis dieser Fassade? Innere Distanz zu uns selbst. Und ein wachsender Druck, das Bild aufrechtzuerhalten während Unsicherheit in anderen Lebensbereichen, etwa in Beziehungen oder im privaten Alltag, sich „durch die Fugen“ quetscht.
Unsicherheit ist menschlich und kann dein Kompass sein
Hier die gute Nachricht: Unsicherheit ist kein Feind. Sie ist ein Signal.
Sie zeigt uns:
- Dass uns etwas wichtig ist.
- Dass wir noch wachsen können.
- Dass wir uns in einem Lernprozess befinden.
Statt Unsicherheit reflexhaft zu überdecken, lohnt es sich, innezuhalten und nachzufragen: Was will mir dieses Gefühl gerade sagen?
Coachingpraxis: Unsicherheit externalisieren statt unterdrücken
In meiner Praxis nutze ich die Wirkung des sog. „Externalisierens von Gefühlen“:
- Gefühl benennen
- „Ich merke, da ist Nervosität.“
- Emotionales Labeln
- führt dazu, dass unser Stressnetzwerk die Amygdala sich beruhigt
- Gemeinsamer Nenner schaffen
- Vor Publikum: „Vielleicht kennt ihr das, kurz vor einer Rede klopft das Herz.“
- Ergebnis: Publikum spiegelt Verständnis – „Social Buffer-Effekt„.
- Ressourcenfokus
- „Dies zeigt mir, dass mir das Thema wichtig ist.“
- Handlungsplan
- Kurze Atemtechnik + Fokussatz („Energie = Fokus“).
Praxisbeispiel
Beim Team-Briefing vor einem Wettkampf habe wir die Athleten in einem Satz teilen lassen, was sie gerade nervös macht. Innerhalb von 3 Minuten sank die beobachtete Muskeltonus-Spannung um ca. 18 %, die Gruppe startet fokussiert statt verkrampft in das Spiel.
Warum steigt die Performance?
Faktor | Wirkung |
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Reduktion von mentaler Last | Wer nicht innerlich kämpft („Ich darf nicht nervös sein“), hat mehr Kapazität für Fokus & Handlung. |
Erhöhte Selbstwirksamkeit | Der Mensch erlebt: Ich kann trotz Unsicherheit erfolgreich sein. |
Sympathie & Authentizität | In sozialen Situationen (z. B. Vortrag) steigt die Bindung zum Publikum. |
Bessere Fehlerkultur | Wer Unsicherheit zulässt, lernt schneller & innovativer. |
Für alle „Freaks“ wie mich ich habe Euch mal drei wissenschaftliche Studien dazu rausgesucht. Echt krass die Ergebnisse.
Wenn Du lieber Alltagstipps brauchst oder zum Fazit willst überspring das einfach.
Emotionsregulation in Stresssituationen | Psychologische Sicherheit im Team | Sport & Mentaltraining |
---|---|---|
Jamieson et al. (2013), Harvard University, Psychol. Science | Amy Edmondson (Harvard Business School), 2004 ff. | Birrer & Morgan (2010), International Review of Sport and Exercise Psychology |
Gruppe, die ihre Nervosität umdeuten durfte erzielte 23 % bessere Ergebnisse | Teams, in denen Unsicherheiten und Fehler angesprochen werden durften, zeigten bessere Innovationsraten, schnelleres Lernen und 20–40 % höhere Produktivität | Athleten, die im Mentaltraining lernten, Unsicherheit bewusst wahrzunehmen statt zu unterdrücken, verbessern ihre Leistung je nach Disziplin bei 12–29 % |
Der konstruktive Umgang mit Unsicherheit (Reframing) verbessert kognitive Leistung | Verbesserte Fehlerkultur führt zu besseren Innovationen. | Emotionsregulation und Fokussteuerung durch Akzeptanzstrategien |
5 Impulse für einen souveränen Umgang mit Unsicherheit im Erwachsenenalter
1. Anerkennen statt wegdrücken: Sag dir selbst: „Ich fühle mich gerade unsicher – und das ist okay.“ Schon das entlastet enorm.
2. Sprechen statt schweigen: In geschützten Räumen – z. B. mit Freund:innen oder in Coachings – kann das Aussprechen von Unsicherheit eine große Befreiung sein.
3. Reflektieren statt projizieren: Oft reagieren wir auf andere gereizt, wenn wir selbst unsicher sind. Hinterfrage: Was triggert mich gerade wirklich?
4. Körper nutzen: Unsicherheit hat eine körperliche Komponente. Die Beeinflussung deiner Atmung, Bewegung, Haltung können Dir helfen, wieder in die innere Mitte zu kommen.
5. Mut zur Lücke: Perfektion ist eine Illusion. Wer sich traut, auch mal nicht alles zu wissen oder zu können, wirkt nicht weniger souverän sondern menschlicher auch als Führungskraft oder Teamkapitän.
Fazit
Unsicherheit begleitet uns vom ersten Fremdeln bis zum Karrieresprung. Der Unterschied liegt nicht darin, ob wir unsicher sind, sondern wie wir damit umgehen. Du kennst es, emotionale Selbstführung ist der Schlüssel. Wenn wir aufhören, Unsicherheit als Schwäche zu sehen, sondern sie als Ausdruck von Lebendigkeit oder Bereitschaft begreifen, gewinnen wir etwas, das keine perfekte Maske ersetzen kann: echte innere Stärke. Wer das Gefühl erkennt, externalisiert und als Energiequelle nutzt, gewinnt:
- Authentizität macht sympathisch und vertrauenswürdig.
- Selbstwirksamkeit weil Handeln trotz Unsicherheit das Gehirn trainiert.
- Performance im Job, auf der Bühne und im Sport.
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