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Verhaltensmuster

Innere Unruhe verstehen: Warum dein Körper ständig auf Alarm steht

Schlaflose Frau in der Nacht
Verhaltensmuster

Inhalt: Was Dich erwartet

Innere Unruhe verstehen: Warum dein Körper ständig auf Alarm steht

Innere Unruhe – ein Zustand, den viele kennen, aber nur wenige wirklich durchdringen. Genau so wie ich damals, weil es einfach irgendwann der Normalzustand ist. Unruhe ist an sich diffus: ein ständiges Grundrauschen im Körper, Gedanken, die kreisen, ein innerer Druck, der selten weicht. Und doch bleibt oft unklar, was genau dahintersteckt. Dieser Artikel gibt dir einen fundierten Überblick darüber, wie innere Unruhe entsteht, wie sie sich im Alltag zeigt und welche systemischen Strategien wirklich helfen können – und auch mir geholfen haben.

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Wie sich innere Unruhe im Alltag zeigt

Innere Unruhe ist mehr als bloß „unruhig sein“. Sie äußert sich körperlich, emotional und kognitiv – manchmal subtil, manchmal so deutlich, dass sie deinen Alltag massiv beeinträchtigt. Typische Erscheinungsformen:

      • Körperliche Symptome: Muskelanspannung (vor allem Nacken, Kiefer, Schultern), erhöhter Puls, flache Atmung, vermehrtes Schwitzen und chronischer Weise sogar in einem Zittern

      • Kognitive Symptome: Grübeln, Gedankenkreisen, Konzentrationsprobleme, ständige innere To-do-Listen.

      • Emotionale Symptome: Reizbarkeit, Überforderung, Gefühl innerer Getriebenheit, unerklärliche Ängste oder Sorgen.

      • Verhaltensmuster: Übermäßige Aktivität (Busy-ness), impulsives Handeln, Vermeidungsverhalten, z.B. Social Media-Konsum, Alkohol oder Essen zur Ablenkung.

    Vielleicht kennst du das aus eigener Erfahrung: Abends liegst du im Bett, bist eigentlich müde und doch schwirren Gedanken durch den Kopf. Ein Meeting, das nicht gut lief. Ein Gespräch, das du noch führen wolltest. Ein offenes Projekt. Es fühlt sich an, als wären zu viele Browser-Tabs gleichzeitig offen. Dein Körper kann nicht herunterfahren, weil die Ereignisse des Tages dich nicht loslassen.

    Ich selbst habe diese Phasen gut gekannt – insbesondere in Zeiten hoher Verantwortung oder beruflicher Umbrüche. Die Strategie war dann oft: Aktionismus. Noch schnell eine To-do abhaken. Oder Ablenkung. Noch schnell durch Social Media scrollen, um das diffuse Unbehagen nicht spüren zu müssen. Kurzfristig beruhigend – langfristig erschöpfend und frustriend.

    Kurzum: Innere Unruhe beeinflusst nicht nur, wie du dich fühlst. Sie steuert, was du denkst, wie du handelst und wie dein Körper reagiert. Bildlich ist wie ein Mensch der schwimmen lernen will. Aus Panik werden wild auf der Stelle Bewegungen gmacht. Kein wirkliches Vorwärtskommen und Erschöpfung. Stattdessen braucht es Ruhe, Klarheit und Vertrauen sich im Wasser (= gefühlte Unsicherheit) entspannen zu können.

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    Nervensystem und Grundspannung: Arousal verstehen

    Um innere Unruhe systemisch zu begreifen, lohnt sich ein Blick auf dein Nervensystem: insbesondere auf den Grundtonus (Basisspannung) und das sogenannte Arousal (Aktivierungsniveau).

    Unser autonomes Nervensystem (ANS) regelt unbewusst lebenswichtige Funktionen. Es oszilliert ständig zwischen:

        • Sympathikus (Aktivierung) – Kampf-/Flucht-Modus

        • Parasympathikus (Beruhigung) – Ruhe-/Regenerationsmodus

      Ein gesunder Mensch pendelt flexibel zwischen Aktivierung und Entspannung. Doch bei anhaltender innerer Unruhe liegt oft eine Dysregulation vor:

          • Übertonus (Hyperarousal): Das Nervensystem ist dauerhaft „on fire“ – Körper steht ständig auf Habachtstellung. Symptome: Rastlosigkeit, Gereiztheit, Schlafprobleme.

          • Untertonus (Hypoarousal): Nervensystem schaltet auf „Not-Aus“ – Erschöpfung, emotionale Leere, Antriebslosigkeit. (Auch dies kann sich als innere Unruhe zeigen – paradox!)
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        Neurowissenschaftliche Perspektive

        Innere Unruhe lässt sich auch neurobiologisch erklären:

        – Die Amygdala (Mandelkern) – unser emotionales Alarmsystem – ist bei chronischer Unruhe häufig überaktiv. Sie bewertet selbst neutrale Reize als potenzielle Gefahr und sendet ständig Alarmsignale.

        – Der präfrontale Cortex (unsere „Chefetage“ für rationales Denken und Emotionsregulation) verliert in solchen Zuständen an Steuerungskraft. Gedankenkarussell und impulsive Reaktionen nehmen zu.

        – Der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) kommt eine zentrale Rolle zu. Bei Dauerstress schüttet sie fortwährend Stresshormone wie Cortisol aus – was langfristig Erschöpfung, Schlafstörungen und erhöhte Reizbarkeit fördert. 

        – Gleichzeitig wird der ventrale Vagusnerv, der für soziale Verbundenheit und Entspannung sorgt, unteraktiv. Dadurch fällt es schwerer, über soziale Kontakte oder bewusste Atmung in die Ruhe zu finden.

        Kurz gesagt: Innere Unruhe ist kein Zeichen von „Schwäche“, sondern Ausdruck einer antrainierten Nervensystem-Grundspannung, die sich nicht mehr flexibel regulieren lässt – mit klaren neurobiologischen Mechanismen im Hintergrund. Die Profis in der Sportdiagnostik gucken hierbei auf die HRV (=Herz-Raten-Variabilität), ein Faktor der die Flexibilität auf körperliche und mentale Belastung widerspiegelt. Denn die HRV gilt als einer der zuverlässigsten Parameter, um die Stress- und Emotionsregulationsfähigkeit einer Person zu bestimmen. Grüße gehen raus an meine ehemaligen Leistungsdiagnostiker, Jonas. 😛

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        Warum innere Unruhe entsteht – und was dahintersteckt

        Die Ursachen sind vielfältig, doch systemisch betrachtet gibt es zwei zentrale Dynamiken, die immer wiederkehren:

        1. Wo schaust du weg?

        Unruhe entsteht oft dort, wo wir ungelöste Themen verdrängen oder nicht hinsehen wollen. Unser Nervensystem bleibt in einem latenten Alarmzustand, weil es unbewusst „Gefahr“ wittert:

        – Ungeklärte Konflikte (z.B. im Job oder in Beziehungen)

        – Unerfüllte Bedürfnisse (z.B. nach Anerkennung, Sicherheit, Autonomie)

        – Nicht verarbeitete Erfahrungen (z.B. Niederlagen, Verluste)

        These: Innere Unruhe ist ein Signal deines Systems, dass etwas Wichtiges unbeachtet bleibt.

        Ich erinnere mich gut an Situationen, in denen ich innerlich unruhig blieb, weil ein zwischenmenschliches Thema – ein kleiner Streit oder eine unausgesprochene Enttäuschung – wie ein Splitter unter der Haut steckte. Äußerlich war längst Gras über die Sache gewachsen, innerlich arbeitete es weiter. Solche Mini-Konflikte sind wie kleine offene Programme, die dauerhaft Ressourcen binden.

        2. Welcher Loop ist offen? – Gedankenschleifen erkennen

        Unser Gehirn liebt geschlossene Schleifen („closed loops“). Unerledigte Aufgaben, ungeklärte Fragen oder unerfüllte Ziele erzeugen eine permanente kognitive Spannung – den sogenannten Zeigarnik-Effekt. Typische offene Loops:

        – „Ich müsste mich endlich um X kümmern…“

        – „Wie wird Y auf meine Entscheidung reagieren?“

        – „Warum habe ich damals nicht…?“

        Systemische Sicht: Diese offenen Loops halten dein Nervensystem wach – weil es Lösungen sucht, um „offene Gestalten“ zu schließen. Ohne Abschluss bleibt der Körper in Alarmbereitschaft.

        3. Overload & chronische Überforderung – das Nervensystem lernt Übertonus

        Ein weiterer unterschätzter Faktor: chronischer Overload. Wer über Wochen oder Monate ständig unter Druck steht – sei es durch beruflichen Stress, private Mehrfachbelastungen oder emotionale Herausforderungen – konditioniert unbewusst sein Nervensystem auf Daueraktivierung. Der Körper „vergisst“, wie sich echte Entspannung anfühlt. Ich habe diese Erfahrung selbst gemacht in einer Phase, in der ich beruflich Höchstleistung brachte und privat viel Verantwortung trug. Auch an ruhigen Tagen konnte ich nicht mehr richtig abschalten – weil mein System sich an den erhöhten Tonus gewöhnt hatte.

        4. Exkurs Trauma – Wenn es zu viel, zu schnell, zu intensiv war

        Ein oft übersehener, tieferliegender Grund für chronische innere Unruhe ist Trauma. Trauma ist ein großer Begriff, doch vereinfacht gesagt beschreibt er Situationen, in denen etwas zu viel, zu schnell oder zu intensiv war – mehr, als unser Nervensystem in dem Moment verarbeiten konnte. Die Folge: Das System „friert ein“, bleibt in einer starren, übererregten oder unterdrückten Grundspannung stecken. Auch kleinere Entwicklungstraumata oder wiederkehrende Überforderungen in der Kindheit können langfristig zu einer Nervensystemprägung führen, die später als unerklärliche innere Unruhe spürbar wird. Diese Spannung ist dann nicht bloß mental erklärbar – sie sitzt tief im Körpergedächtnis verankert.

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        Soforthilfe: 5 Strategien für mehr innere Ruhe

        Ziel ist es, dein Nervensystem wieder flexibel regulieren zu können – also zwischen Anspannung und Entspannung balancieren zu lernen. Diese fünf systemisch fundierten Ansätze helfen dir dabei:

        1. Körper bewusster spüren (Propriozeption)

        Warum es wirkt: Über die bewusste Körperwahrnehmung signalisierst du dem Nervensystem Sicherheit – es darf den Alarmmodus verlassen.

        Tool:

        – Barfuß laufen, auf einem Bein stehen, Körper scannen („Wo spüre ich Druck? Wärme? Kälte?“)

        – 3-Minuten: Füße auf dem Boden spüren + tiefe Bauchatmung

        2. Offene Loops schriftlich schließen (kognitive Entlastung)

        Warum es wirkt: Durch Externalisierung entlastest du dein Arbeitsgedächtnis.

        Tool:

        – Braindump: Alle offenen Gedanken/To-dos ungefiltert notieren

        – Danach: Drei konkrete erste Schritte pro Thema definieren

        3. Mikro-Entladung durch Bewegung (körperliche Regulation)

        Warum es wirkt: Überschüssige Stresshormone (z.B. Adrenalin) werden durch Bewegung abgebaut.

        Tool:

        – 5-Minuten-Powerwalk

        – Isometrische Übungen (z.B. Hände gegeneinanderdrücken)

        – Dehnen/Schütteln („neurogenes Zittern“)

        4. Sozialen Kontakt aktivieren (soziale Ko-Regulation)

        Warum es wirkt: Der ventrale Vagusnerv wird durch verbindenden Kontakt stimuliert – dein System erhält Sicherheit durch soziale Einbettung.

        Tool:

        – Kurzer Austausch mit einer vertrauten Person (kein Problemgespräch, sondern einfach Verbindung)

        – Lächeln, Blickkontakt, bewusster Händedruck

        5. Werteklärung & Bedürfnischeck (systemische Aufstellung)

        Warum es wirkt: Unklare Bedürfnisse und Werte erhöhen Grundanspannung. Klarheit entlastet.

        Tool:

        – Frage: „Was ist mir hier wirklich wichtig?“

        – Notiere drei aktuelle Grundbedürfnisse (z.B. Autonomie, Ruhe, Verbindung)

        – Prüfe: „Wie gut sorge ich aktuell dafür?“

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        Fazit: Innere Unruhe ist ein intelligentes Signal

        Innere Unruhe ist kein „Fehler“ deines Körpers, sondern ein Hinweis auf ein Ungleichgewicht im System – meist eine Kombination aus körperlicher Daueranspannung, offenen mentalen Schleifen, emotionalen Leerstellen und konditioniertem Overload.

        Mit systemischen, körpernahen und kognitiv klaren Ansätzen kannst du lernen, dein Nervensystem wieder in Balance zu bringen. Es braucht keine radikale Veränderung – sondern kleine, beständige Schritte in Richtung Selbstwahrnehmung, Klarheit und Regulation.

        Wenn du beginnst, diese Muster zu verstehen, wird innere Unruhe von einem diffusen Gegner zu einem verständlichen Hinweisgeber – und das öffnet die Tür zu mehr innerer Ruhe und Selbstführung.

        Ich bin Für Dich da!

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